Bei den Populationen verhält es sich ähnlich zu den Wuchsorten. Die Blattmerkmale sowie die Länge der dornenähnlichen Kurztriebe sind auffallend variabel, gefolgt von den Blütenmerkmalen. Bei den Frucht- und Steinkernmerkmalen weist nur die Fruchtstiellänge hohe Variabilität auf. Vor allem in den Populationen 29, 45 und 21 lässt sich häufig (in sieben Merkmalen) hohe Variabilität nachweisen. Hohe Variabilität in der Ausprägung von sechs Merkmalen findet sich zudem bei Population 31 sowie 38. Dagegen liegen die Populationen 4, 6, 13, 30, und 32 in auffallend wenigen Merkmalen dies betrifft besonders die Blatt- und Dornenmerkmale, weniger die Blüten und die Fruchtstiellänge - in Bereichen hoher Variabilität.
Geringe Variationsbreiten hingegen finden sich, wie an den Wuchsorten, beinahe ausschließlich bei den Frucht- und Steinkernmerkmalen. Lediglich die Staubblattzahl weist in drei Fällen bei den Populationen 29, 30 und 31 gleichermaßen geringe Variabilität auf, ebenso der Blattindex bei Population 29. Wiederholt geringe Variation, nämlich in zehn Frucht- bzw. Steinkernmerkmalen, weisen die Populationen 30, 32 und 45 auf. Acht Merkmale divergieren bei den Populationen 4, 8 sowie 20 und sieben bei Population 29. Bei den meisten Populationen liegen Blüten- und Blattmerkmale jedoch in Bereichen mittlerer Variabilität.
Bei der zusammenführenden Betrachtung der Ausmaße der Variabilität aller Merkmale fällt auf, dass hohe Variationsbreiten insbesondere die vegetativen Merkmale betreffen und, mit Ausnahme des Fruchtstiels, weniger die Früchte und Steinkerne. Da vor allem die Früchte und Steinkerne geringe Schwankungen in ihren Merkmalen zeigen und die Blatt-, Blüten- und Zweigmerkmale eine relativ hohe Variationsbreite aufweisen, lässt sich in Zusammenhang mit dem Vorkommen ebensolcher Wuchsorte und Populationen, die in den Blüten-, Blatt- und Zweigmerkmalen hohe Variabilität gleichzeitig aber in den Frucht- und Steinkernmerkmalen geringe Diversität aufweisen, schlussfolgern, dass die Frucht- und Steinkernmerkmale stabiler zu sein scheinen als die vegetativen Merkmalsausprägungen. Werneck (1961) bewertet den Steinkern als ein genetisch determiniertes und gering von Umweltbedingungen beeinflusstes Merkmal. Dieser befindet sich in den Untersuchungen jedoch nicht ausschließlich in Bereichen deutlich geringer Variabilität, sondern weist zusätzlich vor allem mittlere Variabilität im unteren Bereich auf (10-15%). (Werneck 1961) Eine Übertragung dieser Feststellung auf die vegetativen Merkmale würde, da sich einige von diesen ebenfalls hauptsächlich in diesem Intervall bewegen, Anlass zu der Folgerung geben, dass sie desgleichen weniger umweltbedingt variieren, sondern eher genetisch geprägte Merkmale darstellen. Darunter fallen zusätzlich zu den Steinkern- und Fruchtmerkmalen hauptsächlich die Kronblattlänge, die Staubblattzahl sowie der Blattindex; in wenigen Fällen zudem der Kronblattindex, der Staubblatt-Kronblattindex und auch die Fruchtstiellänge. Nicht betroffen sind die Merkmale Kronblattbreite, Blattlänge, Blattbreite und Blattstiellänge sowie die Länge der dornenähnlichen Kurztriebe. Die Trennung Wernecks in Organisationsmerkmale (konstitutive Merkmale bei Diels 1921) und Anpassungsmerkmale (Wettstein 1935) erscheint somit fraglich, wie schon im Generellen bei Wagenitz (1996) festgestellt.
Qualitative Merkmale
Im Gegensatz zu den quantitativen Merkmalen sind die qualitativen auf subjektiver Grundlage ermittelt worden und können daher dem Anspruch der Repräsentativität nicht im gleichen Maße genügen.
Zumindest ein kurzer Überblick über die Verwertbarkeit qualitativer Merkmale soll jedoch gegeben werden, da sie auch Abstufungen von Variabilität unterliegen. Zu den nur geringfügig variierenden Merkmalen zählen vorrangig die Ausprägung der Blattrandzahnung und die Behaarung der Blattoberseite. Ebenfalls von geringer Variabilität sind die Steinkernmerkmale mit den Charakteristika Fischgräten, Nadelstichtrichter, Ausformung des Bauchwulstes sowie der Intensität der Pockennarbigkeit auf den Seitenflächen. Das Merkmal der Spitzenausbildung der Sprossdornen, und deren relative Häufigkeiten scheint nach den vorliegenden Ergebnissen überall gleich variabel zu sein. Unbeständiger hingegen ist die Behaarung der Blattunterseite, die zumindest zwei Ausprägungsformen vergleichsweise häufig annimmt, genauso die Blattform und auch die alternierenden Merkmale der Fruchtstielbehaarung sowie der Ausprägung der Spitze des Steinkerns.
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Probleme der Einordnung
Beim Überblick über die Systematik und Taxonomie wird deutlich, dass Prunus spinosa L. anhand verschiedenster Merkmale, wobei sich vor allem bei „aktuelleren“ Arbeiten vermehrt auf die Analyse der Früchte und Steinkerne gestützt wird, in Unterarten gegliedert wird.
An dieser Stelle soll nun überprüft werden, ob sich einige dieser Merkmale auch auf die Schlehen im Untersuchungsgebiet übertragen lassen und somit eine Einteilung in verschiedene Subspezies ermöglicht wird. Dabei stützen wir uns vor allem auf die Arbeiten von Werneck (1958, 1961), auf die Systematik von Kühn (1998) sowie auf die Angaben von Scholz u. Scholz (1995). Zudem soll auf eigene Versuche eingegangen werden, Korrelationen diverser Merkmale zu analysieren.
Systematik nach Werneck
Domin (und darauf aufbauend Werneck) untergliedern die Schlehen anhand ihrer Steinkerne in Subspezies bzw. Varietäten. Dabei spielen bei Werneck vor allem die Weiserzahl (1959 noch mit der Steinkernlänge gekoppelt) sowie die Ausprägung der Spitze des Steinkerns eine entscheidende Rolle. Generell lässt sich feststellen, dass sich die Steinkerne des Untersuchungsgebietes zu 81% in den Bereichen der Werte von Wernecks Weiserzahl, also zwischen 59% und 93% befinden. Dabei würden 3,7% unter die var. euspinosa D. mit einfach oder doppelt zugespitztem, 50% unter die var. euspinosa D. mit abgerundetem Steinkern, 14% unter die var. ovoideoglobosa und 27% unter die var. moravica fallen (Werneck 1961).
Abb. 23 stellt diese Beobachtung graphisch dar.
Jedoch konnte die bei Werneck angegebene Korrelation mit der Ausprägung der Spitze des Steinkerns nicht bestätigt werden. So kommen zwar unter den Steinkernen der var. euspinosa D. mit einfach oder doppelt ausgeprägter Spitze auch nur solche vor, die tatsächlich einfach zugespitzt sind, diejenigen die unter die abgerundete Variante fallen würden, weisen jedoch sowohl spitze (41,7%) als auch abgerundete (51,4%) Steinkerne auf. Zudem wird die var. moravica mit kreisrunden Steinkernen angegeben, die sich jedoch anhand der Breiten-Längen-Indices sowie der Dicken-Breiten-Indices in dieser Form am Untersuchungsmaterial nicht nachweisen lassen.
Dennoch kann trotzdem ein Zusammenhang der „Weiserzahl“ mit dem Merkmal der Gestaltung der Spitze festgestellt werden. Bis zu einem Index von etwa 78% liegen fast ausschließlich einseitig zugespitzte Steinkerne vor, darauf folgt ein Überlappungsbereich, in dem sich beide, also sowohl einseitig zugespitzte als auch beidseitig abgerundete, in ähnlichen Häufigkeiten nachweisen lassen. Von etwa 83%90% dominiert die abgerundete Variante zunehmend, in den oberen Bereichen (ca. 90%100%) finden sich erneut beide Ausprägungen. Demnach lässt sich analog zu Werneck wenigstens für die niedrigen Indices ein gewisser Zusammenhang mit der einseitig zugespitzten Ausprägung nachweisen, für die beidseitig abgerundeten jedoch können die Angaben nicht bestätigt werden.
Die Einteilung Wernecks in Varietäten lässt sich anhand der Steinkerne der Schlehen des Mittleren Saaletals nicht anwenden, da zum einen bereits 20% der untersuchten Steinkerne aus dem angegebenen Weiserzahlbereich vollkommen herausfallen, zum anderen diejenigen, die sich anhand der Weiserzahl in gewisse Formenkreise einteilen lassen würden, keine Korrelation mit den zusätzlichen angegebenen Eigenschaften aufweisen. Jedoch lässt sich zumindest für die unteren Indexwerte der Weiserzahl eine gewisse Abhängigkeit der Steinkerne mit der einseitig spitzen Variante nachweisen. Ob diese Beobachtung jedoch ausreicht, daran eine Einteilung der Steinkerne in Varietäten vorzunehmen, muss an dieser Stelle ungeklärt bleiben.
Tab. 9
Eingruppierung der Steinkerne des Untersuchungsgebiets entsprechend der Steinkern-Spitze nach WERNECKs Unterteilung der var. Euspinosa
Tip morphology of kernels of the Saale population grouped according to WERNECKs classification of var. Euspinosa
var. euspinosa 1 = Weiserzahl von 59-70% mit einseitig-zugespitztem Steinkern
var. euspinosa 2 = Weiserzahl von 80-92% mit beidseitig abgerundetem Steinkern
Systeme nach Kühn und Scholz u. Scholz
Sowohl Kühn (Scholz u. Scholz 1995) als auch, darauf aufbauend, Scholz u. Scholz (1995) geben als ausschlaggebendes Kriterium der Unterscheidung der Schlehen die Behaarung des Fruchtstieles an, die Kühn in Zusammenhang mit der Fruchtgröße sowie dem Geschmack des Fruchtfleisches setzt. Nachdem der Geschmack unter den gegebenen Umständen nicht untersucht werden konnte, zusätzlich auch extrem subjektiv ist, sollen ausschließlich die Merkmale der Behaarung sowie die Länge der Frucht Beachtung finden.
Dabei treten im Bereich zwischen ca. 9-12mm Fruchtlänge beide Ausprägungen der Behaarung auf, die behaarten Fruchtstiele dominieren jedoch. Für Früchte, die kürzer als 9mm sind, findet sich beinahe ausschließlich die behaarte Variante, für diejenigen, deren Länge zwischen 12mm und 14mm liegt, hingegen nur die kahle Form. Bei dem Vergleich dieses Ergebnisses mit den Angaben von Kühn ergeben sich jedoch diverse Schwierigkeiten, da die Fruchtlänge hier ausschließlich in zwei Intervallen betrachtet wird, von 8-10mm sowie von 14-18mm. In letzteres fällt jedoch keine der untersuchten Früchte, vielmehr befindet sich der Großteil dazwischen (10-14mm). Zudem lassen sich bei den Schlehen des Untersuchungsgebietes vor allem im unteren Bereich wie anfangs ausgeführt behaarte Fruchtstiele nachweisen, welche nach Kühn eher der kahlen Form und damit der subsp. moravica Domin entsprechen müssten.
Eine Untergliederung ausschließlich aufgrund der Fruchtstielbehaarung wie sie Scholz u. Scholz (1995) vornehmen, erweist sich am Untersuchungsmaterial als wenig sinnvoll, da zusätzlich mindestens noch dicht behaarte Blattunterseiten vorliegen müssten. Diese korrelieren jedoch nur zu 14% mit einem behaarten Fruchtstiel. Demnach kann am Untersuchungsmaterial weder eine mögliche Eingliederung anhand der Fruchtgröße zusammen mit der Behaarung des Fruchtstiels noch anhand der Fruchtstielbehaarung an sich vorgenommen werden.
Verhältnis Staubblattlänge-Kronblattlänge
Zwar wurde die relative Variabilität dieses Indexes bereits behandelt, dennoch soll er noch einmal gesondert betrachtet werden, da dieses Verhältnis auch in der Literatur besondere Beachtung erhält. Um dieses besser interpretieren zu können, muss zuerst verdeutlicht werden, was die einzelnen Verhältnisse aussagen: Dominiert die Staubblattlänge über die der Kronblätter, so nimmt der Index einen Wert von über 100% an, im umgekehrten Falle bei unter 100% und sind die beiden Maße identisch, so liegen genau 100% vor. Diese Erkenntnisse sind vor allem für die nähere Bestimmung von Prunus spinosa L. von Bedeutung. So findet sich bei Vollmann eine Form, deren „Kronblätter größer, lang oder länger als die Staubblätter“ sind. Demnach handle es sich dann um die f. major Pospichel (Zit. nach Mang 1972).
Im Untersuchungsgebiet liegen die Staubblattlängen (Mittelwert 5,4mm) im Durchschnitt geringfügig unter den Längen der Petalen (Mittelwert 5,7mm), was ein mittlerer Staubblatt-Kronblatt-Index von 98,6% verdeutlicht. In relativen Häufigkeiten ausgedrückt, liegt der Staubblatt-Kronblatt-Index für 32% der Pflanzen bei einem Index über 100% und für 20% der Pflanzen bei einem Index von genau 100%.
(a.) Bei der Untersuchung der Wuchsorte auf dieses Verhältnis hin ergeben sich lediglich für Ammerbach (54%), Dornburg (57%) und Lobeda (60%) längere Kron- als Staubblätter. In Cospeda hingegen haben genau 50% der Pflanzen einen Index von größer oder gleich 100%. Die übrigen Wuchsorte weisen hingegen deutlich längere oder gleich lange Stamina wie Petalen auf (vgl. Abb. 19).
(b.) Hinsichtlich der Einzelpopulationen haben 56% der Populationen nämlich die Nummern 4, 8, 19, 20, 24, 28, 29, 44, und 45 überwiegend gleich lange Staub- und Kronblätter oder längere Staubblätter als Petalen. In diese beiden Kategorien zusammen fallen je nach Population zwischen 10% (Pop. 32) und 90% (Pop. 29) der Pflanzen. Die übrigen haben demnach einen Index unter 100%, also kürzere Staub- als Kronblätter. Dominierend tritt letztere Ausprägungsform bei 43% der Populationen auf (vgl. Abb. 20).
(c.) Die Analyse der Populationen der Einzelwuchsorte, ergibt, dass sich in Kahla ausschließlich Populationen finden, die vorherrschend längere Staub- als Kronblätter aufweisen, in Kunitz tritt diese Tendenz bei zwei Dritteln der Populationen auf. In Ammerbach hingegen finden sich überwiegend solche Populationen, bei denen die Kronblattlänge dominiert (60% der Populationen) und in Cospeda haben 66% diese Ausprägung.
In allen Fällen ist bemerkenswert, dass sich an keinem Wuchsort und auch bei keiner Population ausschließlich ein Merkmalszustand findet. Zudem kommt relativ häufig ein Index von 100% vor. Da stets beide Ausprägungen auftreten, führt dieses Merkmal hinsichtlich des Untersuchungsmaterials nicht zu eindeutigen Ergebnissen.
Korrelation von Blattindex und Weiserzahl der Früchte und Steinkerne
Nachdem in den vorangegangenen Ausführungen für den Blattindex Bereiche relativ geringer Variabilität nachgewiesen werden konnten und sich die Frucht- und Steinkernmerkmale zumeist konstant verhalten, soll an dieser Stelle untersucht werden, ob sich anhand der Merkmale des Blattindexes sowie der Weiserzahl der Frucht bzw. der Weiserzahl des Steinkerns eventuelle Zusammenhänge herausfinden und so mögliche Formen nachweisen lassen.
Wie aus Abb. 21 ersichtlich, führt diese Untersuchung jedoch zu keinem klaren Ergebnis, da sich eine „Punktwolke“ ergibt und keine eindeutigen Bereiche, die subspezifische Untergliederung andeuten würden, abgetrennt werden.
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Diskussion
Für die Untersuchung der Variabilität erscheint es sinnvoll herauszufinden, bei welchen Merkmalen es sich größtenteils um modifikatorische und bei welchen es sich um genetische Variabilität handelt.
Da Prunus spinosa L. selbstfertil, also zur Autogamie fähig, ist, müsste dies in aufeinander folgenden Generationen zu immer mehr genetisch identischen Nachkommen führen, sofern Rekombination nicht selbst die Variabilität erzeugt. Wenn dem so ist, würden vor allem phänotypische Merkmale in ihrer Variabilität deutlich hervorstechen, nicht so sehr genetische. Auch die Vermehrung durch Wurzelbrut, die ebenfalls erbgleiche Nachkommen produziert, müsste diese Entwicklung fördern. Demzufolge handelt es sich bei Blatt- und Blütenmerkmalen vermutlich zum Großteil um modifikatorische, bei Frucht- und Steinkernmerkmalen dagegen vermehrt um genetische Variabilität der Merkmale. Diese Untersuchung entspräche somit insoweit den Angaben Wernecks (1958), der den Steinkernen genetisch bedingte Variabilität zuschreibt. Dem muss (basierend auf dem Untersuchungsergebnis) jedoch hinsichtlich der Früchte widersprochen werden, da bei diesen keine höhere Variabilität als bei den Steinkernen festgestellt werden konnte. Im Gegensatz zu Werneck betont Röder, dass die Steinkerne zwar gute „Aufschlüsse“ über die diversen Formen geben, das „Merkmal jedoch mit den Bedingungen des Wuchsorts variiert“ (Johannson u. Oldén 1962). Demnach kann also auch eine (geringfügige) umweltbedingte Variabilität hinsichtlich dieses Merkmals nicht ausgeschlossen werden.
Der Faktor Allogamie kann im System nicht vollständig außer acht gelassen werden, da zum einen eine Bestäubung hauptsächlich entomogam erfolgt (vgl. Johannson u. Oldén 1962), zum anderen die untersuchten Wuchsorte und Populationen kein von Umwelteinflüssen abgeschlossenes System darstellen und damit obiges Ergebnis lediglich unter Vorbehalt betrachtet werden kann. Für die vollkommene Klärung wäre es vonnöten, die Schlehen unter hermetischen Bedingungen zu beobachten, jeweils einen Umwelteinfluss auszuschalten und dann über mehrere Generationen hinweg die Nachkommen auf ihre Merkmalsvariabilität hin zu untersuchen. Daneben wäre es sinnvoll, die Wechselbeziehungen mit der umgebenden Pflanzengesellschaft zu beobachten.
Ein anderer Punkt, der noch weiterer Forschung bedarf, ist die Taxonomie, welche sich ebenfalls als problematisch herausstellte. Zum einen gebrauchen verschiedene Autoren für die gleiche Unterart respektive Varietät unterschiedliche Synonyme, zum anderen ergeben sich auch für verschiedene Species, Subspecies und Varietäten Homonyme. Dies verdeutlicht beispielsweise Körber-Grohne (1996) anhand von Prunus fruticans Weihe bzw. Prunus spinosa var. macrocarpa. Erstere findet sich als Synonym für Prunus domestica subsp. insititia var. juliana, letztere stellt die Bezeichnung für großfrüchtige Prunus spinosa L. dar. Ein anderes Problem, das durch die ausgeprägte Variabilität dieser Species bedingt ist, ergibt sich aus zahlreichen Beschreibungen verschiedenster Formen innerhalb der subsp. spinosa (vgl. Scholz u. Scholz 1995).
Zudem differenziert die Taxonomie die Unterarten und Varietäten anhand unterschiedlicher Merkmale. Im Vordergrund stehen dabei vor allem die Frucht- und Steinkernmerkmale, jedoch lassen sich diese am Untersuchungsmaterial nicht in derartig gekoppelter Form nachweisen, wie es für eine Untergliederung vonnöten wäre. Vielmehr treten alle Merkmale mehr oder minder verteilt am Untersuchungsmaterial auf, eindeutige Tendenzen und Zusammenhänge lassen sich nicht nachvollziehen. Aus diesem Grund wurde darauf verzichtet, die analysierten Prunus spinosa L. Unterarten bzw. Varietäten zuzuordnen. Die Ergebnisse legen nahe, dass eine infraspezifische Gliederung von Prunus spinosa artifiziell ist, hier besteht weiterer Forschungsbedarf. Die ermittelten Charakteristika reichen bei dieser ausgesprochen variablen Art nicht aus, diese eindeutig zu beschriebenen Subspezies zuzuordnen. Perspektivisch sind diese Untersuchungen mit molekularen und phytochemischen Analysemethoden zu begleiten.
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Zusammenfassung
Im Untersuchungsgebiet wurden 16 Populationen an sieben Wuchsorten erfasst. Nachdem Prunus spinosa L. auf Licht angewiesen ist, liegen diese hauptsächlich anthropogen entstandenen Wuchsorte vor allem an Wald-, Feld- und Wiesenrändern sowie im lichten Kiefernwald. Die untersuchten Wuchsorte, die sich auf Böden mit carbonathaltigem Ausgangsgestein befinden, bestätigen die Literaturangaben und Beobachtungen, dass die Schlehe einen kalkreichen und gut durchlüfteten Untergrund für ihr Wachstum benötigt. Anhand der Blüten wurde für die Schlehen von Beginn an volle Pollenfertilität, jedoch ein erheblich schwankender, vermutlich vom Stadium der Befruchtung abhängender, Glucosegehalt festgestellt. Die Wachskristalle auf der Blattoberfläche bilden Filme mit sehr dünner Cuticularfaltung, sind jedoch innerhalb der Art nicht variabel. An insgesamt 270 Zweigen aus den verschiedenen Populationen sowie 506 Früchten (bei 133 Pflanzen) und Steinkernen wurden 22 metrische Merkmale (inklusive Indices), des weiteren zehn qualitative Merkmale auf ihre Variabilität im Allgemeinen, an den Wuchsorten, den Populationen und den Populationen an den einzelnen Wuchsorten untersucht. Das Ziel stellte zum einen die Erfassung des Ausmaßes der Variabilität dar, zum anderen galt es, diejenigen Merkmale zu ermitteln, die in geringerem Maße umweltabhängig sind und damit eine eher genetisch basierte Variabilität anzeigen.
Bei den Untersuchungen erwies sich diese Art als ausgesprochen variabel. Vor allem die Maße der Blätter variierten durchgehend sehr stark, ebenso die Sprossdornen- und zum Teil auch die Blütenmerkmale. Die geringste Variabilität sämtlicher analysierter Charakteristika wurde bei den Frucht- und Steinkernmerkmalen festgestellt. Es ist nachvollziehbar, dass letztere Merkmale Grundlage diverser Systeme darstellen, da sie in der Tat eher genetischer als modifikatorischer Natur zu sein scheinen. Daher wurde der Versuch unternommen, Prunus spinosa L. anhand der Systeme von Werneck, Kühn sowie Scholz u. Scholz einzuteilen, welche auf den Frucht- und Steinkernmerkmalen beruhen. Diese Analyse führte jedoch zu keinem befriedigenden Ergebnis, eine Untersuchung auf eine eventuelle Korrelation des Blattindexes mit der Weiserzahl der Früchte bzw. der Steinkerne erbrachte ebenfalls nicht das erhoffte Resultat. Die Ergebnisse aus unseren Untersuchungen legen nahe, dass eine infraspezifische Gliederung von Prunus spinosa artifiziell ist, hier besteht weiterer Forschungsbedarf, da die ermittelten Charakteristika bei dieser ausgesprochen variablen Art nicht ausreichen, diese eindeutig zu den diversen beschriebenen Subspezies zuzuordnen. Im Hinblick auf eine Erweiterung der Kenntnisse zu Prunus spinosa L. sind diese Untersuchungen mit molekularen und phytochemischen Analysemethoden zu begleiten und mit anderen Wuchsorten zu korrelieren.
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Danksagung
Wir danken Herrn Prof. W. Barthlott für Auskünfte zu Epicuticularwachsen. Herrn T. Rohde vom Thüringer Landesverwaltungsamt danken wir für die Genehmigung zur Entnahme von Blatt- und Blütenmaterial aus dem NSG 149 „Großer Gleisberg“ (Genehmigung: 601.12-8512.05-149.SHK-03.001601.1-ro). Aus den vier anonymen Gutachten konnten wertvolle Hinweise und Ergänzungen in die Arbeit einfließen. |