Forum geobotanicum (2007) 3:11-19
DOI 10.3264/FG.2007.0803

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Jörg Ewald

Ein pflanzensoziologisches Modell der Schattentoleranz von Baumarten in den Bayerischen Alpen

A Phytosociological Model of Shade Tolerance of Tree Species in the Bavarian Alps

Published online: 3 August 2007
© Forum geobotanicum 2007

Abstract The ecological niche, as a summary of the environment in which a tree species can live, is a central concept in vegetation ecology and its application in silviculture. While the fundamental niche focusses on the physiological constraints of survival and growth, the realised niche takes competition in real communities into account. To understand realised niches in a causal fashion requires knowledge of the life cycle of plant species. The concept of regeneration niche is based on the notion that establishment and juvenile growth are particularly sensitive stages. Obviously, silviculturalists must be particularly interested in regeneration niches.
The database BERGWALD contains 4,934 phytosociological plots from mountain forests and related vegetation types of the Bavarian Alps. The detailed information on plant species composition (trees, tree regeneration, shrubs, herbs and bryophytes) and cover has so far been used extensively for deriving vegetation units, site types and groups of indicator species. In the present study the database content was analysed with regard to the ecology of tree species in general and their regeneration niche in particular.
The availability of light as a crucial resource that changes during forest succession was estimated by calculating average Ellenberg indicator values (mL) based on total field and bryophyte layer composition. The relative frequency of plots across the mL gradient in the total database was juxtaposed to the occurrence of the 16 most common tree species in the tree and in the regeneration layer, respectively. The resulting preference index


where
pij: preference of species j on gradient segment i
kij: number of plots on gradient segment i containing species j
ni: number of plots on gradient segment i in total dataset

is a graphical representation of the realised niche in which trees and regeneration of a tree species are found.
As expected, the realised niches of tree species on the light gradient corresponded broadly to Ellenberg's L-value of tree regeneration. As the regional climax, Abies alba and Fagus sylvatica have coincident optima of tree layer and juvenile occurrences in closed, mature stands.
Ulmus glabra and Fraxinus excelsior, as species of lower altitude, exhibit niches most similar to these climax species, followed by Acer pseudoplatanus and Picea abies, two of the most frequent species, that occur from low elevations to the timber line. The intermediate role of these four species is confirmed, as regeneration occurs mostly at light levels higher than those found under adult trees of the same species.
Against expectations, Taxus baccata clearly prefers stands with moderate to high light, as do Sorbus aria, Sorbus aucuparia and Alnus incana. While Larix decidua and Pinus cembra occupy very similar overall niches, tree layer and regeneration niches of Larix differ markedly, whereas coincident layer niches in Pinus cembra underpin its status as a climax species at tree line.
Pinus sylvestris and Salix eleagnos are typical shade-intolerant pioneers, of which regeneration is practically restricted to non-forest vegetation. Pinus rotundata and Juniperus communis are small trees that are entirely restricted to open stands subject to geomorphological activity.
The results demonstrate the potential of phytosociological databases for studying the niches of tree species. To be sure, such analyses are no replacement for physiological and experimental studies. The research community is invited to use this source as a reference framework and an empirical validation for more specialised research.

Keywords   Ellenberg indicator value for light · Niche model · Phytosociological database · Regeneration niche

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Prof. Dr. Jörg Ewald
Fakultät Wald und Forstwirtschaft
Fachhochschule Weihenstephan, University of Applied Science
Am Hochanger 5 · D-85354 Freising · Germany
Email: joerg.ewald@fh-weihenstephan.de
Tel.: +49-8161-715909; FAX: +49-8161-714526

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Einleitung
 
Die ökologische Nische von Baumarten ist von großem vegetationskundlichen und forstpraktischen Interesse. Ellenberg (1953) unterscheidet zwischen physiologischer Amplitude als dem Bereich ökologischer Bedingungen, unter denen eine Pflanzenart in Reinkultur überleben kann, und ökologischer Amplitude als dem Lebensbereich unter Freilandbedingungen, einschließlich der Konkurrenz anderer Arten. Im selben Sinne definierte Hutchinson (1957) die Begriffe fundamental und realised niche. Grubb (1977) fügte unter dem Gesichtspunkt des Lebenszyklus das Konzept der Regenerationsnische hinzu, demzufolge die Stadien von Keimung und Etablierung besonders entscheidend für die Populationsentwicklung und das ökologische Verhalten einer Pflanzenart sind.
Eine wesentliche Dimension der Nische von Baumarten ist die Abhängigkeit des Überlebens, Wachstums und der Konkurrenzkraft von der Belichtung, die als Schattentoleranz (shade tolerance) bezeichnet wird (Burns & Honkala 1990). Sie ist insofern von großer praktischer Bedeutung, als der Waldbau Artenzusammensetzung, Wuchsdynamik und Stammqualität von Beständen über den Lichtgenuss zu steuern sucht (Dengler et al. 1990). Gerade bei Bäumen drängt sich auf Grund ihrer enormen Größenentwicklung und Langlebigkeit und der extrem asymmetrischen Konkurrenz (Shipley & Keddy 1994) zwischen verschiedenen Altersklassen eine gesonderte Betrachtung von Regeneration und Konkurrenzverhalten im Baumalter auf. Für Keimling und Jungwuchs stellt der Altbestand, was den Lichtgenuss betrifft, den entscheidenden Teil der Umwelt dar. Die Schattentoleranz einer Baumart setzt sich also aus dem Lichtbedürfnis in der Jugend (Regenerationsnische) und der Fähigkeit, Konkurrrenten im Alter auszudunkeln (Konkurrenzkraft) zusammen. Während ersteres wenigstens für die wichtigeren Waldbäume physiologisch relativ gut untersucht ist (Ammer 1996), steht die funktionale Analyse der Konkurrenz im Baumalter noch relativ am Anfang (Leuschner 1998, Grote & Pretzsch 2002).
Zum Verhalten der Baumarten im Freiland gibt es viel Erfahrungswissen (Dengler et al. 1990, Ellenberg et al. 2001), aber erstaunlich wenige breit angelegte Untersuchungen, z. B. zur Korrelationen zwischen gemessenem Lichteinfall (Brunner 1994), Keimung, Überleben und Wuchsverhalten von jungen Bäumen (Ammer 1996). Diese Wissenslücke kann hilfsweise durch pflanzensoziologische Aufnahmen geschlossen werden, z. B. durch Berechnung von Ellenberg-Zeigerwerten für Licht für den Unterwuchs von Wäldern (Ellenberg et al. 2001), der neben den Baumarten eine große Artenvielfalt an Gefäßpflanzen, Moosen und Flechten aufweist. Als Schätzwerte für den Lichtegenuss am Waldboden können mittlere Licht-Zeigerwerte (mL) sowohl zu Vorkommen und Deckungsgrad von Jungwuchs, als auch zu Vorkommen und Deckung der Baumarten in der Baumschicht in statistische Beziehung gesetzt werden (Ewald 2004). Ersteres liefert ein ziemlich differenziertes Modell der Regenerationsnische, zweiteres eine grobe Abschätzung der Konkurrenzkraft der Baumarten.
Diese Untersuchung erweitert die am Beispiel von Abies alba durchgeführte Analyse der Datenbank BERGWALD mit ca. 5.000 Vegetationsaufnahmen (Ewald 2004) auf alle Baumarten, die mit einer gewissen Mindeststetigkeit in den Wäldern der Bayerischen Alpen vorkommen. Ihr
lichtökologisches Verhalten wird bezüglich Konkurrenzkraft und Regenerationsnische charakterisiert, auf Grund der Gemeinsamkeiten und Unterschiede in den Präferenzen werden Baumartengruppen definiert und mit bisherigen Einschätzungen in der Literatur verglichen.

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Methoden
 
Die Datengrundlage dieser Arbeit bildet die pflanzensoziologische Datenbank BERGWALD (Ewald 1995), in der alle verfügbaren Vegetationsaufnahmen aus Wäldern und verwandten Pflanzengesellschaften der Waldstufe des bayerischen Alpenraumes nebst einer Artenliste mit den Ellenberg-Zeigerwerten für Gefäßpflanzen, Moose und Flechten (Ellenberg et al. 2001) digital (Microsoft Access-Software) zur Verfügung stehen. Die Sippenvorkommen in den Aufnahmen wurden getrennt nach Baumschichten (Gehölzschichten über 5 m Höhe) und Unterwuchs (einschließlich Strauch-, Kraut- und Kryptogamenschicht) zusammengefasst.
Für alle 4.934 Aufnahmen wurden auf Grundlage der Unterwuchsdaten ungewichtete, mittlere Lichtzeigerwerte (mL) berechnet. Diese dienen als Schätzwert für die relative Lichtverfügbarkeit, die der Baumverjüngung zum Aufnahmezeitpunkt zur Verfügung stand.
Das Vorkommen von Baumarten wurde getrennt nach Baumschicht und Unterwuchs abgefragt. Die Stetigkeit der Baumarten im Gesamtdatensatz wurde insgesamt, sowie getrennt nach Baumschicht und Unterwuchs berechnet. In die weitere Untersuchung wurden diejenigen 16 Baumarten einbezogen, die in mindestens 1 % der vorliegenden Aufnahmen als Baum oder Verjüngungspflanze nachgewiesen worden waren.
Die mittleren Lichtzeigerwerte wurden auf 0,5-Stufen gerundet, deren Häufigkeitsverteilung im gesamten Aufnahmekollektiv abgefragt wurde. Die mL der Aufnahmen in der Datenbank bewegen sich zwischen 3,0 und 8,4 und decken 12 Gradientenabschnitte ab. Vergleichbare Häufigkeitsverteilungen wurden für die Vorkommen jeder Baumart getrennt nach Baumschicht und Unterwuchs berechnet.


wobei
pij: Präferenz der Schicht-Art j auf dem Gradientenabschnitt i
kij: Anzahl der Vegetationsaufnahmen im Gradientenabschnitt i, die Vorkommen von Schicht-Art j enthalten
ni: Gesamtanzahl der Vegetationsaufnahmen im Gradientenabschnitt i

Für jede der 16 Baumarten wurden die Präferenzen für Baumschicht und Unterwuchs in den 12 Gradientenabschnitten in eine Matrix übertragen. Aus diesen Daten wurde für jede Baumart ein Präferenzprofil als Linendiagramm erstellt, in dem die Präferenzen von Baumschicht und Unterwuchs verglichen werden können. Die Baumarten wurden auf Grund ihrer Präferenzen in Baumschicht und Unterwuchs automatisch klassifiziert (Clusteranalyse mit relativer euklidischer Distanz als Distanzmaß und Ward-Algorithmus, Berechnung mit PC-Ord Software, McCune & Mefford 1999).

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Ergebnisse
 
Die 4.934 Vegetationsaufnahmen der Datenbank BERGWALD besitzen ungewichtete Licht-Zeigerwerte (mL) zwischen 3,0 und 8,4 (Abb. 1). Die Häufigkeitsverteilung ist rechtsschief mit einem Mittelwert von 5,3 und einem Median von 5,2.
Insgesamt sind in der Datenbank 30 Baumarten, darunter 9 Koniferen, und die Hybride Populus X canescens als in der Baumschicht vorkommend nachgewiesen. 16 Baumarten erreichen eine Gesamtstetigkeit von mindestens 1%. Unter den häufigen Baumarten mit mindestens 10% Stetigkeit sind Picea abies, Acer pseudoplatanus, Fagus sylvatica und Abies alba sowohl in der Baumschicht als auch im Unterwuchs häufig. Dagegen kommen Larix decidua nur in der Baumschicht, Sorbus aucuparia, Sorbus aria und Fraxinus excelsior nur im Unterwuchs häufig vor. Bis auf Abies alba, Taxus baccata und Juniperus communis sind alle Koniferen in der Baumschicht mit größerer Stetigkeit als im Unterwuchs nachgewiesen. Bei den Laubbäumen ist es, mit Ausnahme der seltenen Prunus avium und Betula carpatica, umgekehrt.

Abb. 1: Häufigkeitsverteilung von 4.934 Vegetationsaufnahmen nach mittlerem ungewichteten Ellenberg-Zeigerwert für Licht (mL).
 
Fig. 1: Frequency distribution of 4.934 plots by unweighted average Ellenberg value for light (mL).
 

Die Clusteranalyse ergab 6 Baumartengruppen mit je ähnlichen Präferenzprofilen. Auf hohem Niveau trennte das Verfahren die großflächig vorherrschenden Baumarten des zonalen Schlusswaldes – hier angeschlossen Fraxinus excelsior und Ulmus glabra - auf der einen von den Spezialisten auf der anderen Seite (Abb. 2). Aufgrund hoher Unähnlichkeit der Präferenzprofile wurden die extremen Pioniere von den übrigen Spezialisten, sowie innerhalb der Schlusswaldgruppe die Ubiquisten Picea und Acer pseudoplatanus von den Schattbaumarten getrennt. Von den verbleibenden Spezialisten trennten sich die Nadelbäume, von den dann verbleibenden Sorbus aucuparia auf Grund unähnlicher Präferenzprofile ab.



Abb. 2: Dendrogramm der auf Basis der Präferenzprofile für Licht errechneten Baumartengruppen.
Fig. 2: Dendrogram of tree species clusters based on preference profiles for light.
 
 
Die Schlusswaldbaumarten der Fagus sylvatica-Gruppe kommen als Baum und als Unterwuchs bevorzugt in Beständen mit mL < 5 vor. Neben den klassischen Schattbaumarten Fagus und Abies werden Fraxinus excelsior und Ulmus glabra dieser Gruppe zugeordnet.
Die Ubiquisten Picea abies und Acer pseudoplatanus zeichnen sich durch flache Präferenzprofile aus, d. h. sie sind über den gesamten Lichtgradienten m. o. w. gleichmäßig anzutreffen. Dabei steht Acer pseudoplatanus der Fagus-Gruppe etwas näher als Picea.
Das Artenpaar Sorbus aria und Alnus incana präferiert mL-Werte von 5 bis 6. Davon abweichend liegt bei den Nadelbäumen der Larix decidua-Gruppe die höchste Präferenz bei mL = 6 – in dieser Gruppe tendiert Taxus baccata am ehesten zu den mäßig schattentoleranten Laubbäumen.
Das Präferenzprofil von Sorbus aucuparia hebt sich gegen alle übrigen durch den auffallenden Unterschied im Verhalten der Art in der Baumschicht und im Unterwuchs ab.
 
 


 
Abb. 3: Präferenzprofile für Licht der Baumarten; offene Kreise/gestrichelte Linie: Baumschicht, schwarze Kreise/ durchgezogen: Verjüngung; farbige Linien umrahmen die Cluster (vgl. Abb. 2).
 
Fig. 3: Preference profiles for light of the tree species; open circles/dashed lines: tree layer, solid circles/solid lines: understorey; coloured lines contain clusters (see Fig. 2).



 
Tab. 1: Baumarten in der Datenbank BERGWALD; Zeigerwert für Licht nach Ellenberg (2001); absolute und prozentuale Stetigkeiten in der Datenbank für die Baumart insgesamt, sowie getrennt nach Baumschicht und Unterwuchs; horizontale Linien trennen die in der Clusteranalyse gefundenen Baumartengruppen (Abb. 2).

Tab. 1: Tree species in the databank BERGWALD; indicator value for light (Ellenberg 2001); absolute and percentage constancy in the database for the species total, as well as tree layer and understorey occurrences; horizontal lines delimitate the tree species groups found by cluster analysis (Fig. 2).

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Diskussion
 
Bei der Interpretation der Häufigkeitsverteilung der Licht-Zeigerwerte in der Datenbank BERGWALD ist zu beachten, dass es sich um eine Sammlung aller verfügbaren (d. h. in vollständigen Tabellen publizierten oder in unveröffentlichten Abschlussarbeiten und Forschungsberichten auffindbaren) Vegetationsaufnahmen aus Wäldern und Gebüschen (z. B. Michiels 1992, Frankl 2001), einschließlich Initialstadien derselben in Primär- und Sekundärsukzessionen (z. B. Hölzel 1990), handelt. Pflanzengemeinschaften des Offenlandes wurden nur in geringem Umfang dort miterfasst, wo sie bei der Bearbeitung von Gehölzgesellschaften mit erhoben und in Vegetationstabellen mit denselben ausgewertet worden waren (z. B. Storch 1983, Ewald 1996). In dieser Analyse der Lichtökologie bleibt daher zwangsläufig die Verjüngung der Baumarten in Rasen der alpinen Stufe, im Intensivgrünland oder in anthropogener Ruderalvegetation unberücksichtigt.
Selbst für die Wälder des Bezugsgebiets ist die Verteilung der mL-Werte nicht unbedingt repräsentativ, da die unterschiedlichen Regionen und Waldtypen nicht proportional zu ihrer Häufigkeit, sondern allein nach Datenverfügbarkeit vertreten sind. Allerdings kann man angesichts des großen Datenumfangs, der mehrere große Teildatensätze mit in systematischen Rastern erhobenen Aufnahmen (Michiels 1992, Ewald 1997, 2005) enthält, davon ausgehen, dass die gesamte Spannweite der Licht-verfügbarkeit in Gehölzbeständen des Naturraums abgedeckt wird.
Bereits bezüglich der Stetigkeitsdifferenz zwischen Baumschicht und Unterwuchs bilden die Koniferen eine erstaunlich klar von den Laubbäumen geschiedene Gruppe: Fast alle Nadelbäume sind in der Baumschicht deutlich steter als in der Verjüngung anzutreffen. In großen Teilen der Bayerischen Alpen dominieren Fichten- und in geringerem Umfang Lärchen- und Kiefernbestände weithin auch an Standorten, die von Natur aus laubbaum- und tannenreiche Bergmischwälder tragen würden. So kann man die Diskrepanz zwischen Baumschicht und Unterwuchs als Beleg für die Tendenz der Laubbäume, aber auch der schattentoleranten Nadelbäume Abies und Taxus deuten, sich ihren Platz in den anthropogen veränderten Wäldern zurückzuerobern. Die Fähigkeit der Nadelbäume, sich in der Vergangenheit trotz geringeren Verjüngungspotentials in den Baumbeständen durchzusetzen, ist durch selektiven Schlalenwildverbiss erklärbar (Meister 1969, Burschel et al. 1985). Bedenkt man, dass Stetigkeiten lediglich etwas über die Frequenz, wenig über Populationsdichten und nichts über Wuchshöhen aussagen, so ist es durchaus denkbar, dass die Nadelbäume bei anhaltendem Wildverbiss trotz geringer Stetigkeit in der Verjüngungsschicht auch in Zukunft hohe Anteile in den aufwachsenden Baumbeständen erobern werden. Erst wo der Verbiss durch Zäunung oder intensive Bejagung über mehrere Jahrzehnte reduziert wird, setzt sich das Verjüngungspotential von Laubbäumen und Abies (Liss 1990), örtlich sogar das von Taxus (Ammer 1996) durch.
Die Clusteranalyse auf Grundlage der Präferenzprofile von Baumschicht und Unterwuchs ordnet die Baumarten Gruppen zu, die in groben Zügen gängigen Einschätzungen entsprechen: So bilden Fagus und Abies als Schatt- (Abb.4), Picea und Acer als Halbschatt- sowie Pinus, Juniperus und Salix eleagnos als Licht- und Pionierbaumarten (Abb.5) bekannte Gruppen.



 
Abb. 4: Typischer Fagus-Abies-Picea-Schlusswald auf Ramsaudolomit bei Oberjettenberg, Landkreis Brechtesgadener Land; neben den Hauptbaumarten verjüngen sich Acer pseudoplatanus, Ulmus glabra und Fraxinus excelsior reichlich, können sich aber nur bei geringem Wildverbiss in die Baumschicht einwachsen; Foto: J. Ewald.

Fig. 4: Climax forest of Fagus, Abies and Picea on dolomite near Oberjettenberg, Berchtesgadener Land; beside the dominants Acer pseudoplatanus, Ulmus glabra and Fraxinus excelsior regenerate regularly, but will only become trees under low browsing pressure; photo: J. Ewald.



 
Abb. 5: Salix eleagnos-Gebüsche mit Verjüngung von Pinus rotundata im Hochwasserbett der Isar zwischen Vorderriss und Wallgau (Landkreis Bad Tölz); durch geomorphologische Störungsereignisse initiierte Primärsukzessionen schaffen Lebensraum für Pionierbaumarten; Foto: J. Ewald.

Abb. 5: Salix eleagnos-scrub with Pinus rotundata regeneration in the bed of the braided river Isar between Vorderriss and Wallgau (Bad Tölz district); primary succession initiated by geomorphological disturbance creates habitat for pioneer tree species; photo: J. Ewald.
 
 
Der überraschende Anschluss von Fraxinus und Ulmus bei den Schattbäumen hängt wahrscheinlich mit der Häufung dieser Baumarten in Tieflagen, wo die Wälder dichter als nahe der Waldgrenze sind (Abb.4), und an stark abgeschatteten, nicht selten schluchtartigen Hängen zusammen. Sorbus aria und Alnus incana sind zwar nicht allzu oft vergesellschaftet, aber sie besiedeln ein ähnliches Spektrum an halboffenen Mischwäldern, in deren fortgeschrittenen Entwicklungsstadien sie der Konkurrenz schattenspendender Baumarten ausgesetzt sind.
Mit den Ellenberg-Lichtzeigerwerten als der einzigen konsistenten Klassifikation der Schattentoleranz der betreffenden Baumarten sind nur die Präferenzprofile des Unterwuchses vergleichbar, weil die L-Zahlen von Bäumen explizit nur das Verhalten desselben beschreiben (Ellenberg et al. 2001). Entsprechend werden mittlere L-Zahlen von Wäldern stets nur für den Unterwuchs berechnet. Größere Diskrepanzen zu Ellenbergs Lichtzahl bestehen bei der Zuordnung von Pinus cembra und Taxus baccata in die selbe Gruppe wie Larix decidua. Die Lichtzahl entspricht dabei gängigen Einschätzungen: Im hochsubalpinen Lärchen-Zirbenwald (Abb. 6) gilt Pinus cembra als Schlusswaldbaumart, Larix decidua als durch Schwendung und Weide begünstigter Pionier (Seibert in Oberdorfer 1992). Dem gegenüber belegen die Vegetationsaufnahmen, dass Larix viel weiter in den montanen Schlusswald vordringt, während Pinus cembra auf die parkartige Waldgrenze beschränkt bleibt. Taxus baccata ist für den dichten Schattenwurf ihrer Kronen wie für den geringen Lichtbedarf ihrer Verjüngung gleichermaßen bekannt. Dessen ungeachtet konzentrieren sich ihre rezenten Vorkommen in den Bayerischen Alpen wie anderswo eindeutig an Extremstandorten und in frühen Waldentwicklungsstadien (Moor 1952, Fischer 2000). Die Überlegung, Taxus sei dort bevorzugt der forstlichen Nutzung entgangen, ist zwar plausibel, jedoch gibt es kaum Belege für eine größere Rolle in den Schlusswäldern der Nacheiszeit.


 
Abb. 6: Hochsubalpiner Larix-Pinus cembra-Wald mit Pinus mugo und Sorbus aucuparia auf der Reiter Alm (Landkreis Berchtesgadener Land); die Waldgrenze bietet Lebensraum für Licht- und Halbschattbaumarten und fungiert als Diasporenquelle von Sorbus aucuparia; Foto: J. Ewald.

Fig. 6: High subalpine Larix-Pinus cembra-forest with Pinus mugo and Sorbus aucuparia at Reiter Alm (Berchtesgadener Land district); timberline is a habitat for shade intolerant tree species and a source of Sorbus aucuparia diaspores; photo: J. Ewald.

 
 
Am stärksten widersprechen die Präferenzen von Sorbus aucuparia im Bergwald der verbreiteten Einschätzung als typische Pionier- und Lichtbaumart (z. B. Hecker 1995). Die Sonderstellung dieser Baumart besteht einerseits in ihrer nur von Picea und Acer pseudoplatanus übertroffenen Stetigkeit in der Verjüngungsschicht. Andererseits ist sie die einzige Baumart, bei der die Präferenz der Verjüngung in dunkleren Beständen liegt als die der Baumschicht. Hohes Ausbreitungsvermögen (Endozoochorie), die Fähigkeit der Sämlinge, relativ lange im Dunkeln auszuharren und ein hoher Lichtanspruch für das Einwachsen in die Baumschicht bilden eine eigentümliche populationsbiologische Strategie, die für die Erneuerung von Gebirgswäldern von besonderer Bedeutung ist. Die Vorausverjüngung von Sorbus aucuparia bildet eine Sämlingsbank, die nach Störungen unverzüglich und unabhängig von den Zufällen des Samenanflugs die Bildung eines Vorwaldes einleitet. Die vorwüchsigen Exemplare unterliegen jedoch schon bald der Konkurrenz nachdrängender Schlusswaldbäume, so dass baumförmige Vogelbeeren außerhalb der subalpinen Stufe Seltenheitswert haben. Im Hochgebirge sorgen baumförmige Sorbus-Populationen an der Waldgrenze (Abb. 6) und an felsigen Sonderstandorten für einen ständigen Diasporenfluss. In den Bayerischen Alpen ist Ellenbergs Lichtzahl von 6 gerade für die Verjüngung eindeutig zu hoch. Sehr interessant und an Hand von Vegetationsdatenbanken nachprüfbar ist die Frage, ob Sorbus aucuparia auch im Hügel- und Tiefland diese lichtökologische Sonderstellung einnimmt.
Die hier vorgestellte Auswertung zeigt das Potential großer pflanzensoziologischer Datenbanken für die differenzierte Erforschung der ökologischen Nische von Pflanzenarten (Lawesson & Oksanen 2002). Der Vorteil liegt dabei in der Breite des Datenmaterials, welches das Verhalten im Freiland relativ vollständig abbildet. Durch konsequentes Sammeln des vorhandenen Datenmaterials und seine statistische Auswertung gelangt man über subjektive Einschätzungen aus waldbaulicher oder naturkundlicher Erfahrung hinaus. Allerdings setzen die ungenaue Erfassung der Eigenschaften von Individuen und Populationen einerseits, sowie die indirekte Erfassung der Umweltbedingungen andererseits funktionalen Interpretationen Grenzen. Von einer auf biologischen Merkmalen gegründeten Einteilung der Baumarten ist die Wissenschaft immer noch erstaunlich weit entfernt, obwohl sie nicht zuletzt angesichts des Klimawandels von großer praktischer Bedeutung wäre (vgl. Rennenberg et al. 2004, Ammer et al. 2005). Auswertungen wie die hier vorgestellte generieren Hypothesen, welche durch überlegt geplante ökophysiologische und populationsbiologische Messungen geprüft und präzisiert werden sollten.

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Danksagung
 
Die hier vorgestellte Auswertung beruht auf der Arbeit mehrerer Generationen von Vegetationskundlern. Viele von ihnen haben bereitwillig die digitale Bereitstellung ihrer, z. T. unpublizierten Aufnahmen unterstützt, wofür ihnen der Autor dankt.

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