Forum geobotanicum (2009) 4:1-7
DOI 10.3264/FG.2009.1201

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Lenz Meierott

Ernst Koch (1843–1926), seine floristischen Aktivitäten in Südthüringen und Franken und
sein bisher unveröffentlichtes Manuskript „Neue Funde von Pflanzen – Unterfranken“

Ernst Koch (1843-1926), botanical activities in Southern Thuringia and in Franconia including his
hitherto unpublished manuscript “New locations of plants - Lower Franconia”

Published online: 01 December 2009
© Forum geobotanicum 2009

Abstract Ernst Koch (1843-1926) was teacher at a gymnasium (high school) in Meiningen (Southern Thuringia). Beside his studies on history and applied geography of the Duchy of Meiningen he investigated the flora of Southern Thuringia and adjacent northern areas of Lower Franconia between 1895 and 1906. The present report deals with his botanical activities and his critical relations to the Botanical Society of Thuringia documented by exchanged letters. A detailed hitherto unpublished manuscript of the Flora of Lower Franconia with main focus on the natural landscapes Rhön, Grabfeld and Haßberge will be published here with comments in the following article.

Zusammenfassung Ernst Koch (1843-1926), Gymnasiallehrer in Meiningen (Südthüringen), hat sich neben seinen Forschungen zu Geschichte und Landeskunde des Herzogtums Meiningen in den Jahren zwischen 1895 und 1906 auch intensiv mit der Flora von Südthüringen und angrenzender Gebiete Unterfrankens beschäftigt. Seine floristischen Aktivitäten werden dargestellt und seine Beziehungen zum Thüringischen Botanischen Verein anhand des noch erhaltenen Briefwechsels beschrieben. Ein umfangreiches, bisher nicht veröffentlichtes Manuskript Kochs zur Flora Unterfrankens mit Schwerpunkt auf den Naturräumen Rhön, Grabfeld und Haßberge wird kommentiert und im nachfolgenden Artikel erstmals herausgegeben.

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Lenz Meierott
Am Happach 43 · D-97218 Gerbrunn · Germany
Email: Lenz.Jutta.Meierott@t-online.de
Tel. +49 (0)931 706052

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Zur Biographie
 
Ernst Koch wurde am 31.12.1843 in Pößneck (Thüringen) geboren1Eine ausführliche Biographie mit Schwerpunkt auf seinen historisch-landeskundlichen Arbeiten hat H. Schneider (2004) vorgelegt.. 1858 trat er als Vierzehnjähriger in die Quarta des Gymnasiums Georgianum in Hildburghausen ein und legte dort 1864 die Reifeprüfung ab. Am Studienort Jena belegte er die Fächer Alte Sprachen, Kunstgeschichte, Pädagogik, Geschichte, Philosophie und deutsche Philologie. Aufgrund der sehr beschränkten wirtschaftlichen Verhältnisse der Eltern musste er sein Studium 1867 vorerst abbrechen, bezog eine Hauslehrerstelle und fand 1870 eine Anstellung als Hilfslehrer an der Realschule in Saalfeld. 1872 beantragte er seine Zulassung zur Staatsexamensprüfung in den Fächern Klassische Philologie, Philosophie, Pädagogik und Deutsch, die er im Januar 1874 mit Klausurarbeiten und der mündlichen Prüfung abschloss. Im selben Jahr wurde er zum planmäßigen Lehrer an der Realschule Saalfeld ernannt. Im Oktober 1879 wechselte er an das Bernhardinum der Residenzstadt Meiningen und unterrichtete dort die Fächer Deutsch, Latein und Geschichte. Am 2.4.1886 wurde ihm von Herzog Georg II. der Professorentitel verliehen.

Ernst Koch
Abb. 1 Ernst Koch, Foto: Thüring. Staatsarchiv Meiningen
Fig. 1  Ernst Koch, photo: Thuringian public record office, Meiningen

In Meiningen verstärkte Ernst Koch seine geschichtswissenschaftlichen Forschungen und entwickelte beachtliche und weitreichende Aktivitäten. 1880 trat er dem Hennebergischen altertumsforschenden Verein bei, gründete aber im Mai 1888 mit dem „Verein für Meiningische Geschichte und Landeskunde“ einen eigenen Verein. Als Nachfolger von Georg Brückner († 1881) übernahm er nebenamtlich das „Gemeinschaftliche Hennebergische Archiv“ und die Herzogliche Öffentliche Bibliothek (letztere nur bis 1891). 1912 wurde er 68-jährig in den Ruhestand verabschiedet.
Mit der Novemberrevolution 1918/19 und dem Sturz des letzten Meininger Herzogs verschlechterten sich seine Lebensumstände. Das Haus Feodorenstr. 8 in Meiningen, in dem er eine Mietwohnung hatte, wurde verkauft; mit seinen Angehörigen musste er ein kleines Gartenhaus beziehen, in dem er am 25.6.1926 im Alter von 86 Jahren an Herzlähmung starb.
Zeitgenossen galt Ernst Koch als „einer der scharfsinnigsten, kenntnisreichsten und fleißigsten [...] Vertreter der kritischen thüringischen Geschichtsforschung"2O. Dobenecker (1927), zitiert nach H. Schneider (2004, S. 9). Die Liste seiner Veröffentlichungen umfasst mehr als 240 Titel zur Meiningischen und Hennebergischen Geschichte, Ortsgeschichte, Vor- und Frühgeschichte, zu Orts- und Flurnamen sowie zur allgemeinen Landeskunde3Bibliographien, zusammengestellt von K.Th. Lauter (1939, 1940). Kochs floristische Arbeiten fehlen in diesen Bibliographien. .
Als Mensch war er offenbar eine zwiespältige Persönlichkeit: „Seine Geradlinigkeit, die, wenn er sich im Recht glaubte, in Sturheit ausarten konnte, ließen ihn als streitbaren, vielleicht streitsüchtigen Menschen erscheinen, der überdies auch leicht und tief zu kränken war“4H. Schneider (2004, S. 20).

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Ernst Kochs floristische Aktivitäten
 
Neben seinen historischen und landeskundlichen Forschungen hat Ernst Koch auch bemerkenswerte floristische Aktivitäten entwickelt. Meist zusammen mit seinem Sohn Fritz (Gymnasiast in Meiningen, ab 1900 stud. jur. in Jena, dann Leiter der Geschäftsstelle des Deutschen Bundes Heimatschutz in Meiningen, ab 1923 Regierungsrat im Ministerium für Volksbildung und Leiter der „Thüringischen Beratungsstelle für Heimatschutz und Denkmalpflege“) durchstreifte er in ausgedehnten Wanderungen das Herzogtum Meiningen und angrenzende Regionen Unterfrankens, insbesondere das Grabfeld, die Rhön und die Haßberge. Die floristischen Funde veröffentlichte er in 6 umfangreichen Arbeiten zwischen 1898 und 1904 in den Mitteilungen des Thüringischen Botanischen Vereins5vgl. die Bibliographie in der Literaturliste. Dann brechen die floristischen Veröffentlichungen plötzlich ab; im Jahre seines Todes, 1926, erschien dann noch ein kleiner Artikel über das „Alpentäschelkraut im Thüringerwald“.
Kochs Fundmitteilungen sind gehaltvoll und in den Ortsangaben für die damalige Zeit erstaunlich präzise. Als Reaktion auf das Manuskript seiner ersten Publikation (1896) schrieb ihm E. Torges, der Schriftführer des Thüringischen Botanischen Vereins6Brief E. Torges an Koch, 13.5.1896, Staatsarchiv Meiningen, Nachlass E. Koch: „... Übrigens kann ich den Stoßseufzer nicht unterdrücken: ‚Wenn doch alle Mskpte mit solcher Sorgfalt und Genauigkeit angefertigt und geschrieben würden’“. Kochs Bestimmungen sind zuverlässig, in kritischen Fällen kontaktierte er Kenner und Spezialisten wie C. Haussknecht, E. Torges, J. Bornmüller, M. Schulze und (im Falle der Gentiana obtusifolia) R. von Wettstein in Wien.
Frucht der floristischen Aktivitäten sind auch zahlreiche Herbarbelege, die er vor allem dem Herbar Haussknecht/Herbar des Thüringischen Botanischen Vereins in Weimar (heute JE) übermittelte. Eine handschriftliche Liste der von Koch im Februar 1899 dem Thüringischen Botanischen Verein übergegebenen Pflanzen umfasst etwa 200 Belege aus Thüringen, Bayern (Grabfeld, Schweinfurt, Oberpfalz und Niederbayern), Niederösterreich und Böhmen7Handschriftliche Liste, Archiv des Thüring. Bot. Vereins, Herbar Haussknecht (JE). Der Dankesbrief von E. Torges (20.2.1899) an den „Hochgeehrten Herr Professor“ beginnt denn auch8Staatsarchiv Meiningen, Nachlass E. Koch: „Ihre Sendung, die sie in Ihrem Briefe vom 10. Januar ankündigten, hat durch Umfang und werthvollen Inhalt unsere Erwartungen noch weit übertroffen, sie enthält so vieles Interessante, daß ich nicht Alles aufzählen kann ...“.
Auch in anderen Sammlungen wie dem Bayerischen Staatsherbar (M) und dem Würzburger Herbarium Franconicum (WB) sind Belege von Ernst Koch erhalten. Belege z.B. von Gagea spathacea sandte Koch an die „Direction des Königl. Botanischen Museums zu München“9Abschrift des Briefes vom 23.4.1898, Staatsarchiv Meiningen, Nachlass E. Koch: „Überzeugt, daß Gagea spathacea Salisb. im Herbarium boicum noch nicht vertreten ist, erlaube ich mir, Exemplare davon zu senden, die ich gestern auf bayrischem Grund und Boden gesammelt habe, das dem Herrn von Bibra-Irmelshausen gehörende Poppenholz (Irmelshäusr Holz) zwischen Irmelshausen und Breitensee im Grabfeld (Bezirksamt Königshofen), die von meinem Sohn, dem Gymnasiasten Fritz Koch, am 16. d.M. an zwei Stellen entdeckt wurden ...“. Und ein Schreiben an Gregor Kraus in Würzburg vom 28.2.1900 beginnt wie folgt10Abschrift Staatsarchiv Meiningen, Nachlass E. Koch: „Hochverehrter Herr Professor! Infolge mancherlei Abhaltung konnte ich die im vorigen Jahr gesammelten Pflanzen noch nicht alle ordnen und es wird somit das Herbarium Franconiae wohl erst um Ostern seinen Teil erhalten. Vorläufig sende ich Ihnen aber von meiner neuesten botanischen Veröffentlichung, die eben die Presse verlassen hat, fünf Abzüge. Sie werden aus dem auf Unterfranken bezüglichen Abschnitt ersehen, daß wir es uns angelegen sein ließen, die Kenntnis über die unterfränkische Flora möglichst zu erweitern ...“.

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Ernst Koch und der Thüringische Botanische Verein
 
Der Briefwechsel mit dem Vorstand und den Schriftführern des Thüringischen Botanischen Vereins11Es sind erhalten Briefe und Postkarten an C. Haussknecht (aus dem Zeitraum 1897-1902), B. Hergt (1901-1906), M. Schulze (1899), E. Torges (1895-1904) und an den Vorstand des Thüring. Bot. Vereins (1904-1906). gibt Einblicke in Kochs Arbeitsweise und Persönlichkeitsstruktur (Schreiben E. Kochs im Archiv des Thüringischen Botanischen Vereins, Herbar Haussknecht, JE; Schreiben an E. Koch im Thüringischen Staatsarchiv Meiningen, Nachlass E.Koch).
Ernst Koch ist gegen Ende des Jahres 1895 in den 1881 konstituierten Thüringischen Botanischen Verein eingetreten12zur Geschichte des Vereins vgl. F.K. Meyer (1984). Mit Schreiben vom 10.12.1895 bedankt sich E.Torges13Dr. Emil Torges, 1831-1917,
Arzt und Calamagrostis-Spezialist
: „Hochverehrter Herr Professor! Prof. Haussknechts Freude über Ihren Eintritt in unseren Verein theile ich aufrichtig“. Der Briefwechsel zeigt zunächst gegenseitiges harmonisches Einverständnis und Wohlwollen. Koch beteuert14E. Koch an E. Torges, Brief vom 16.12.1897: „Was ich für den Verein irgendwie zu leisten vermag, thue ich jederzeit mit Freuden ...“. Koch unterstützt den Verein außer mit Herbarzuwendungen z.B. bei der Organisation der Hauptversammlung in Meiningen 1897 und bei der Versammlung und Exkursion in Pößneck 1899. Im Jahr 1903 wird auch der Sohn Fritz Koch Mitglied.
Gegen das Jahr 1906 häufen sich allerdings Missstimmungen. Für die Frühjahrshauptversammlung 1906 gibt Koch Anträge zur Änderung der Satzung und Organisation der Hauptversammlung und ihrer Termine ein15schriftliche Anträge vom 1.5.1906. Diese werden vom Vorstand und den Mitgliedern mehrheitlich abgelehnt. Koch ist verärgert16Schreiben von E. Koch, 24.6.1906: „... nach Erfurt [Hauptversammlung am 30.9.1906] komme ich nicht; die Vereinsversammlungen sind mir auf gute Zeit verleidet, insbesondere habe ich keine Lust, mit Th. [Friedrich Thomas, Oberlehrer in Ohrdruf, Wortführer bei der Ablehnung des Antrags] dort oder sonst wo zusammenzukommen ...“.
Das Zerwürfnis eskaliert, nachdem Koch im Mai 1906 eine Rezension von H. Rottenbachs kurz vorher erschienener Schrift „Die Flora des Herzogtums Sachsen-Meiningen“ (in: Schriften des Vereins für Sachsen-Meininigische Geschichte und Landeskunde, H. 52, Hildburghausen 1906) für die zunächst erscheinende Vereinszeitschrift anbietet. Die offenbar umfangreiche und sehr kritische Rezension sendet Koch gegen Ende Juli 1906 an den Vorstand des Vereins. Im August 1906 schickt B. Hergt17Bernhard Hergt (1858-1920), Schriftführer des Vereins das Manuskript an Koch mit Änderungswünschen zurück. Koch antwortet in einem ausführlichen und scharf formulierten Schreiben „An den geehrten Vorstand des Thüringischen Botanischen Vereins“ vom 14. August 1906:
„Vom Schriftführer des Thüring. Botan. Vereins, Herrn Professor Hergt, erhielt ich das Manuskript, worin ich Rottenbachs Flora des Herzogtums Sachsen-Meiningen besprach zurückgesandt nebst der Mitteilung, daß ich vom Vereinsvorstand ersucht werde, ‚alle persönlichen Angriffe’ gegen Rottenbach aus dem Manuskript zu entfernen sowie überhaupt den sehr scharfen Ton zu mäßigen. Ich habe daraufhin die Besprechung wiederholt auf alle ‚persönlichen Angriffe’ nachgesehen und finde, daß die gesamte Beurteilung, die ich der bewußten Schrift zuteil werden ließ, ein ‚persönlicher Angriff’ auf Rottenbach ist, denn die Schrift selbst kann doch nur als ein Stück ihres Verfassers angesehen werden. Sollte man nun aus Rücksicht auf den Verfasser auch diese Seite seines Ichs schonen und nicht nach Gebühr beleuchten, so müßte man von vornherein darauf verzichten, die Mängel einer öffentlichen Schrift in das rechte Licht zu stellen ...“. Koch wirft dem Vorstand vor, Rottenbach als Mitglied des erweiterten Vorstands schonen zu wollen. Der in seiner Rezension angeschlagene Ton sei „gegenüber der Unwissenschaftlichkeit und Lotterigkeit, mit der die ‚Flora des Herzogtums Meiningen’ zusammengestoppelt wurde“, durchaus gerechtfertigt. Koch macht geltend, dass er die botanischen Verhältnisse des Herzogtums Meiningen genau kenne und dass „sämtliche Ausstellungen begründet sind“. Mit der Absicht des Vorstands, die Besprechung Rottenbach zu unterbreiten, damit dieser sich verteidigen könne, sei er unter der Voraussetzung einverstanden, dass dem Rezensenten das Recht eingeräumt wird, im gleichen Heft auf eine solche Verteidigung antworten zu können.
Der Konflikt war allerdings nicht mehr beizulegen, auch ein Gespräch Kochs mit Bornmüller18Joseph Bornmüller (1862-1948), Kurator am Herbar Haussknecht als Vorsitzenden des Vereins am 19. September führt zu keiner Klärung. In einem letzten Schreiben Kochs an den Vorstand vom 27. September 1906 (Abb. 2) bezichtigt Koch den Vorstand der Parteilichkeit, die eines angesehenen Vereins nicht würdig sei, und schließt:
„Angesichts solcher Verständnislosigkeit und angesichts des Widerwillens, die der Vorstand meinen wohlgemeinten Anträgen auf den beiden letzten Frühjahrsversammlungen des Vereins entgegenbrachte und jetzt der durchaus begründeten Beurteilung der Rottenbachschen Schrift entgegenbringt, ziehe ich hiermit mein Manuskript zurück (für die Rücksendung füge ich 20 Pf. in Briefmarken bei) und zugleich erkläre ich (unter der Voraussetzung, daß wir für unsere diesjährigen Geldbeiträge auch noch das unter der Presse befindliche Heft erhalten) meinen und meines Sohnes Austritt aus dem Verein. Hochachtungsvoll / Ernst Koch“.

Ernst Koch, Schreiben an den Botanischen Verein

Abb. 2 Ernst Koch, Schluss seines Schreibens vom 27.9.1906 an den Vorstand des Thüring. Bot. Vereins
Fig. 2  Ernst Koch, end of his letter of Sept. 27th 1906 addressed to the directorate of the Thuringian Botanic Society

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Ernst Kochs unveröffentlichtes Manuskript zur Flora von Unterfranken
 
Nach der Publikation seiner letzten Folge „Neue Beiträge zur Kenntnis der deutschen Pflanzenwelt“ (Mitt. Thür. Bot. Verein 19, 1904) war Ernst Koch mit der Ausarbeitung eines größeren Beitrags zur Flora Unterfrankens (Abb. 3) beschäftigt und bot auch diesen Beitrag dem Thüringischen Botanischen Verein an: „Ich erlaube mir anzufragen, ob in dem nächsten Vereinsheft noch Raum für die von mir zusammengestellten, nur noch nicht ins Reine geschriebenen ’Neue Beiträge [...]’ sein wird. Diese betreffen hauptsächlich das bewußte Keupergebiet und sind, damit die einschlägige Keuperflora einmal etwas genauer beleuchtet werde, umfassender behandelt als meine in den ‚Mitteilungen’ des Vereins früher veröffentlichten Beiträge“ (Brief E. Koch, 4.3.1904) (Abb. 4). Aufgrund seines Umfangs sollte der Abdruck erst im nächsten Heft erfolgen: „Im übrigen bin ich auch dafür, daß der ganze auf Unterfranken bezügliche Teil erst im zweitfolgenden Heft erscheint, wenn es nicht angeht, denselben im nächsten Heft zu bringen“ (Brief E. Koch an E. Torges, 4.6.1904).

Ernst Koch, Manuskriptseite
Abb. 3 Ernst Koch, Beispielseite aus dem Manuskript zur Flora Unterfrankens (zum Druck vorbereitet)
Fig. 3  Ernst Koch, sample page of his manuscript: Flora of Lower Franconia (prepared for print)

Ernst Koch, Schreiben an den Vorstand des Thüring. Botanischen Vereins

Abb. 4 Ernst Koch, Beginn seines Schreibens vom 4.3.1904 an den Vorstand des Thüring. Bot. Vereins
Fig. 4  Ernst Koch, beginning of his letter of March 4th 1904 addressed to the directorate of the Thuringian Botanic Society

Die Genehmigung zum Druck zog sich jedoch hin, offensichtlich zögerte der Vorstand, einen solch umfangreichen Beitrag, noch dazu über ein Gebiet außerhalb der Grenzen Thüringens, in das Vereinsheft aufzunehmen. Endlich, im Mai 1906, noch kurz vor der Eskalation der Streitigkeiten, schien eine Veröffentlichung in Aussicht gestellt: „Es freut mich, daß der Vereinsvorstand den Schluß meiner in Heft XVIII und XIX veröffentlichten Beiträge in Heft XXII [das wäre dann im Heft 1907] bringen will. Ich werde das Manuscript nach Ausgabe des XXI. Heftes Ihnen zugehen lassen“ (Brief Koch an B. Hergt, 13.5.1906). Zum beabsichtigten Druck kam es dann nicht mehr, da nach den Streitigkeiten die Verbindung zwischen E. Koch und dem Vereinsvorstand im September 1906 abgebrochen wurde.
Das Manuskript selbst, noch nicht für den Druck fertig gestellt, kam in den Besitz von Stephan Rauschert, der es an Ludwig Meinunger weitergab, wo es sich noch heute befindet.
Das gesamte Manuskript umfasst in seiner jetzigen Gestalt 140 meist eng beschriebene Seiten. Ein erster Teil, betitelt „Unterfranken“, mit 33 Seiten von Clematis vitalba bis Lathyrus niger, scheint von Koch schon beinahe für den Druck vorbereitet worden zu sein (vgl. Abb. 3). Es folgt ein umfangreicher, noch nicht in publikationsfähige Form gebrachter Teil mit 30 Seiten, der Gentiana obtusifolia Willd. (= Gentianella germanica subsp. solstitialis (Wettst.) Jovet & Vilmorin) gewidmet ist. Ernst Koch hat sich mit diesem habituell stark abweichenden aestivalen Ökotyp der Gentianella germanica intensiv beschäftigt, hat die ihm bekannten (und damals im Gegensatz zu heute noch zahlreichen) Populationen in der Rhön und im Thüringerwald genau analysiert. Offensichtlich beabsichtigte er eine Neubeschreibung unter dem Namen Gentiana rhoeno-thuringiaca, denn mit dieser Etikettierung sind zahlreiche Belege in M (und auch in JE?) von Koch erhalten. Weitere 86 Seiten tragen die Überschrift „Neue Fundorte von Pflanzen“; es sind weit überwiegend Funde aus dem Muschelkalk und Keuper Unterfrankens, meist mit zahlreichen Ergänzungen und oft schwer lesbaren Einfügungen (Abb. 5).
Ernst Koch hat die Funde und Namen nach A. Garcke, Illustrierte Flora von Deutschland, 17. Ed., Berlin 1895, geordnet. Die Funde stammen fast alle aus den Jahren 1900 bis 1906, ganz vereinzelt noch von 1907. Die Ortsangaben sind äußerst präzise. Einige der damaligen Flurnamen sind in heutigen Messtischblättern nicht mehr aufgeführt, einige haben sich in der Schreibweise etwas geändert, so z.B. Bassenberg (s Münnerstadt) zu Possenberg, Röhberg (bei Wechterswinkel) zu Rehberg, Leitershückel (bei Wollbach) zu Leiterig. Die detaillierten Angaben lassen genauere Vergleiche mit modernen Floren (von H. Schack, 1925, bis zu Meierott, 2008) und der heutigen Situation zu. Demnach sind Verbreitung und Funddichte der allermeisten Sippen der Wälder (Fagion und Carpinion) und auch der Halbtrockenrasen (Festuco-Brometea) in etwa gleich geblieben. Einige Sippen der Ackerwildkräuter sind inzwischen ausgestorben, so z.B. Orlaya grandiflora, von den 10 genannten Wuchsorten von Turgenia latifolia existiert derzeit nur noch ein kleiner Bestand im Grenzbereich auf thüringischer Seite. Feucht- und Nasswiesen außerhalb der Rhön und der Haßberge sind heute weitgehend verschwunden und haben landwirtschaftlich intensiv genutzten Ackerfluren und drainiertem und gedüngtem Wirtschaftsgrünland Platz gemacht. Solche Feucht- und Nasswiesen mit Arten wie Ophioglossum vulgatum, Eriophorum angustifolium und E. latifolium, Dactylorhiza majalis und D. incarnata, wie sie Koch noch mehrfach beschreibt, sind in den Tieflagen von Nassachniederung und Grabfeld verschwunden. Von den 14 benannten Wuchsorten von Trifolium spadiceum außerhalb der Rhönhochlagen sind heute alle bis auf einen erloschen, Pedicularis palustris ist im gesamten Unterfranken verschollen. Andererseits sind einige Neophyten wie Cardaria draba, Erucastrum pollichii, Echinops sphaerocephalus und Hordeum murinum für das Gebiet erstmals genannt. Erstaunlich ist, dass z.B. der heute häufige und fast flächig verbreitete Melilotus albus mit nur einem Wuchsort genannt ist. Und zu denken gibt die Tatsache, dass mehrere Nährstoffzeiger wie Sisymbrium officinale (1 Wuchsort) und Descurainia sophia (2 Wuchsorte) um 1900 noch selten waren.
Bei einigen Sippen gibt Koch keine bloße Aufzählung der Funde, sondern fügt Bemerkungen zu Verbreitungsgrenzen sowie – wie z.B. bei Pulmonaria angustifolia, Pulmonaria mollis und Melica picta – Angaben zu Standortsverhältnissen und Ökologie bei.
Kochs bisher unveröffentlichte Fundliste ist zusammen mit seinen Veröffentlichungen 1897-1904 eine fast vollständige Flora des Grabfelds mit anschließenden Teilen von Rhön und Haßbergen, sie darf in ihrer Zuverlässigkeit und mit ihrer Fülle an Erstfunden als erste und zugleich gründliche Florenbeschreibung einer bis dahin floristisch vernachlässigten Region gelten.

Ernst Koch, Manuskript "Neue Fundorte von Pflanzen" Abb. 5 Ernst Koch, Beispielseite aus dem Manuskript „Neue Fundorte von Pflanzen“
Fig. 5  Ernst Koch, sample page of his manuscript: “New Locations of Plants”

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Danksagung
 
Dr. Ludwig Meinunger bin ich für Ausleihe des Kochschen Manuskripts und Einverständnis zur Publikation zu besonderem Dank verpflichtet. Dr. Hermann Manitz (Herbar Haussknecht, JE) hat mehrere Informationen zum Thüringer Botanischen Verein gegeben und freundlicherweise Material aus dem Archiv des Vereins zum Briefwechsel Koch – Botanischer Verein zur Verfügung gestellt. Dr. Heiko Korsch (Herbar Haussknecht, JE) hat Scans von Herbarbelegen Kochs in JE angefertigt. Leitung und Mitarbeiter des Thüringischen Staatsarchivs Meiningen haben Informationen zum Nachlass Ernst Koch gegeben und die Datei zum Foto von E. Koch zur Verfügung gestellt. Allen sei auch an dieser Stelle gedankt.

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Bibliographie der floristischen Arbeiten von Ernst Koch
 
E. Koch (1897): Beiträge zur Kenntnis der deutschen Pflanzenwelt. 1. Thüringen, 2. Rhön, 3. Das bayerische Grabfeld,
   4. Hassberge, 5. Umgegend von Schweinfurt. – Mitth. Thüring. Bot. Ver. N.F. 11: 22-30
E. Koch (1899): Neue Beiträge zur Kenntnis der deutschen Pflanzenwelt. – Mitt. Thüring. Bot. Ver. N.F. 13/14: 84-109
E. Koch (1903): Neue Beiträge zur Kenntnis der deutschen Pflanzenwelt. Neue Folge. – Mitt. Thüring. Bot. Ver. N.F. 18: 76-
   90
E. Koch (1904): Neue Beiträge zur Kenntnis der deutschen Pflanzenwelt. Neue Folge. – Mitt. Thüring. Bot. Ver. N.F. 19: 59-
   101
E. Koch (1926): Alpentäschelkraut im Thüringerwald. – Schriften Ver. Sachsen-Meining. Gesch. Landesk. 84:88-89

Archivmaterial
 
Thüringisches Staatsarchiv Meiningen, Nachlass E. Koch, Nr. 86,
   Briefwechsel mit dem Thüringischen Botanischen Verein – Botanik
Archiv des Thüringischen Botanischen Vereins/Thüringische Botanische Gesellschaft, Herbar Haussknecht, Jena,
   Briefwechsel E. Koch

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Literatur
 
O. Dobenecker (1927): Ernst Koch. Ein Gedächtniswort. –
   Zeitschr. Ver. Thüring. Geschichte und Altertumskunde 35: VII-XII
K. Th. Lauter (1939): Ernst-Koch-Bibliographie. Verzeichnis der Schriften von Prof. Ernst Koch, Meiningen (1843-1926). –
   Jahrb. 1939 des Hennebergisch-Fränkischen Geschichtsvereins, Meiningen, S. 125-143
K. Th. Lauter (1940): Nachträge zur Ernst-Koch-Bibliographie.
   Jahrb. 1940 des Hennebergisch-Fränkischen Geschichtsvereins, S. 132
L. Meierott (2008): Flora der Haßberge und des Grabfelds. Neue Flora von Schweinfurt.y
   2 Bde., Eching (IHW-Verlag), 1448 S.
F.K. Meyer (1984): 100 Jahre Thüringische Botanische Gesellschaft. –
   Haussknechtia 1: 3-16
H. Schack (1925): Zwischen Main und Werra. Flora der Gefäßpflanzen von Coburg und Umgegend einschließlich des
   oberen Werragebietes, des Grabfeldgaues, der Haßberge und des nördlichen Frankenjuras. Coburg, VIII, 197 S.
H. Schneider (2001): Ernst Koch (1843-1926), Archivar im Gemeinschaftlichen Hennebergischen Archiv in
   Meiningen 1881-1912. – Lebensbilder Thüringer Archivare, hrsg. vom Vorstand des Thüringer Archivarverbandes.
   Erfurt, S. 133-141
H. Schneider (2004): Ernst Koch: „Altmeister Sachsen-Meiningischer Geschichte“.
   Gründer des Vereins für Meiningische Geschichte und Landeskunde. – Jahrb. 2004 des Hennebergisch-
   Fränkischen Geschichtsvereins 19: 9-21
H.-J. Zündorf, K.-F. Günther, H. Korsch, W. Westhus (2006): Flora von Thüringen. Jena (Weissdorn-Verlag), 764 S.